Sich an Mittel der Oper heranmachen

Kölner Stadt-Anzeiger (Nr. 260 / 38) vom 07./08. November 1981

Hilferufe: Reiner Michalke zu der Initiative Kölner Jazzhaus

Sich an Mittel der Oper heranmachen

Ein Festival in der Musikhochschule steht bevor

Trotz Sparwelle ist es der Kölner Initiative Jazzhaus gelungen, wieder ein Jazz-Festival auf die Beine zu stellen. Es findet vom 12. bis zum 15. November in der Musikhochschule statt und verspricht eines der besten zu werden. Wir sprachen mit Reiner Michalke, dem Sprecher der Initiative Kölner Jazzhaus über die vielfältigen Aspekte des Festivals.

Von Martin Woltersdorf

Wird das 4. Kölner Jazzhaus-Festival das letzte sein?

Michalke: Hoffentlich nicht. Was unseren guten Willen und die Bereitschaft angeht, so ein Festival zu machen, da wird sich auch im nächsten Jahr nichts ändern. Was uns jedoch Sorge bereitet für die nächsten Jahre ist das finanzielle Problem, wobei wir schon in diesem Jahr bislang nicht wissen, wie wir ein großes finanzielles Loch stopfen können. Dieses Loch ist zum einen durch gewöhnliche Preissteigerungen entstanden und zum anderen durch die Streichung von einem Drittel des Zuschusses aus dem Vorjahr durch die Kölner Kulturverwaltung. Konkret: von 23.000.- Mark auf 15.000.-

Frage: Kann man das Festival verkleinern, um mit weniger oder gar keinen Zuschüssen auszukommen?

Michalke: Denkbar ist alles, aber nicht machbar. Da ohnehin alle organisatorischen Arbeiten ehrenamtlich gemacht werden, gehört sehr viel Motivation und letztlich auch Spaß dazu, monatelang ein solches Festival minutiös zu planen. Und nach den Erfahrungen von drei Festivals wäre ein Verzicht auf Inhalte, auch quantitativ, künstlerisch nicht vertretbar. Wir haben uns die Aufgabe gestellt, neben der Kölner Szene das zeitgenössische Jazzmusik-Geschehen insgesamt dazustellen, und das ist eben so vielschichtig, stilistisch und geographisch, daß hundert Musikerpersönlichkeiten nötig sind, um diesen Reichtum annähernd aufzuzeigen.

Und das kostet natürlich Geld, was uns an allen Ecken und Enden fehlt. Die Musiker erhalten eine Gage, die ungefähr 25% der Gage beträgt, die in anderen Städten bei größeren Festivals gezahlt wird. Allen anderen Beteiligten geht es nicht besser, wenn sie überhaupt bezahlt werden. Und dies Art von Selbstausbeutung hat natürlich Grenzen.

Andererseits ist es eben so, und da wird sich leider so bald nichts ändern, daß das Publikum, das sich für zeitgenössische Dinge interessiert, nicht so groß ist oder immer wieder so jung ist, daß die Eintrittsgelder nicht aufgebracht werden können, die notwendig wären, um solche Veranstaltungen zu finanzieren. Bei unserem Festival müßte eine Eintrittskarte 30.- Mark kosten für einen Abend, wenn wir auf öffentliche Subventionen durch die Stadt Köln oder durch indirekte Subventionen durch den WDR und den DLF verzichten müßten.

Frage: Gibt es überhaupt eine Lösung, aus diesem Teufelskreis auszubrechen? Die öffentliche Bereitschaft, Jazzmusik zu unterstützen, war ja noch nie annähernd ausreichend, und wenn jetzt noch Kürzungen der paar Mark Unterstützung zu erwarten sind, was dann?

Michalke: Theoretische Lösungen gibt es eine ganze Reihe, doch scheitern diese meist an der Inflexibilität der Kulturverwaltung. Erforderlich ist ein Prozeß des Umdenkens, was die knapper werdenden Kulturgelder angeht. Und davon sind der Kölner Kulturdezernent und sein Musikreferent noch sehr weit entfernt. Wir als Jazzmusiker haben da kaum Einfluß, keine Lobby, keine jahrhunderte alte Geschichte. Unsere Musik entsteht aus flexiblen Menschen, jeden Tag neu. Vielleicht wird die Jazzmusik einmal unterstütz, wenn sie aufgehört hat zu leben.

Frage: Ist das Verhältnis zur Kulturverwaltung wirklich so eisig wie man gelegentlich hört?

Michalke: Ja, es sieht wirklich nicht sehr rosig aus, da sind von beiden Seiten Fehler gemacht worden. Das grundsätzliche Problem liegt jedoch an einem fehlenden Gespür für die jeweiligen Sensibilitäten. Ja, und wir haben den Fehler an uns, daß wir zu kritisch sind, zu oft und zu offen unsere Meinung sagen.

Frage: Wo soll den nun das Geld herkommen?

Michalke: Das Problem beginnt bei der Verteilung der freien, nicht gebundenen Geldmittel. Ideal wäre, wenn dies die betroffenen Gruppen untereinander klären und entscheiden könnten. Die andere Möglichkeit ist, sich an die Mittel heranzumachen, die ja großzügig.

für die Oper beispielsweise, ausgegeben werden. Die Argumente von Peter Nestler, daß es sich hierbei um 90% Personalkosten handelt, die man nicht so einfach kürzen kann, und daß es naiv wäre zu glauben, so eventuell eingesparte Gelder für andere Kulturbereiche zugewinnen, sind zwar richtig, doch dürfen diese Argumente nicht immer notwendigen Veränderungen oder Reformen im Wege stehen.

Eine naheliegende Lösung wäre, den kulturellen Auftrag, den beispielsweise die Oper erfüllt, zu erweitern, also auch zeitgenössische, nicht traditionelle Musikformen zu integrieren. Wie es auf der Theaterseite vom Kölner Schauspiel bereits seit längerem praktiziert wird.