Stadtgarten-Restaurant oder das ganze Jahr lang Festival?

(Aus: Magazin zum 6. Jazz Haus Festival Köln 1983)

Seit Anfang 1979 steht es leer. Seit dieser Zeit gibt es Vorschläge der Jazzhaus-lnitiative das Gebäude zu nutzen. Und nun, seit Beginn diesen Jahres, mit Abschluß der U-BahnBauten auf der Venloerstraße, ist es wieder in der Diskussion: das Stadtgarten-Restaurant.

Grafik: Roy Herbst

Naturgemäß gibt es außer uns inzwischen eine Reihe anderer Bewerber. Allen Bewerbungen jedoch, seien sie auch noch so verschieden in ihrer inhaltlichen Konzeption, ist eins gemeinsam: die Stadt Köln, als Eigentümerin, ist von allen Kosten oder Subventionen freigestellt – so ändern sich die Zeiten. Damals (1980) war die Stadt Köln bereit, 2,3 Millionen DM für den Umbau und einen ebenfalls hohen Betrag als Subvention zur Verfügung zu stellen. Diese Pläne scheiterten jedoch nachdem die Gruppe „Jazzboard“, unser damaliger Interessensgegner, der den Zuschlag erhalten hatte, in alle Winde verweht war und alle Politiker daraufhin fürchteten, sich bei dem Thema „Musik im Stadtgarten“ die Finger zu verbrennen. Heute, fast vier Jahre später, ist von Zuschuß keine Rede mehr. Im Gegenteil, es gibt Politiker, die die leerstehende Immobilie am liebsten zu einem ordentlichen Preis vermieten oder gar verkaufen würden. Und hätten wir nicht rechtzeitig eine neue Konzeption zum Betrieb des Hauses vorgelegt, wäre er schon wieder aus, der Traum vom eigenen Haus.

Diese Konzeption sieht vor, daß die Jazzhaus-lnitiative das Haus in Erbpacht übernimmt, jedoch keine Pacht zahlt und einen Teil des Hauses an eine Gruppe von Gastronomen weiterverpachtet. Diese „Betriebs-GmbH“ trägt dann die Kosten für Renovierung und Unterhalt und führt eine Miete an die Jazzhaus-lnitiative zur Deckung des kulturellen Programms ab. Diese Konstruktion gewährleistet zum einen, daß der kommerzielle Druck nur auf dem gastronomischen Bereich lastet, während das Kulturprogramm ambitioniert gestaltet werden kann und zum anderen, daß kommerzielle Interessen nicht die kulturellen Interessen verdrängen können. Dies hat darüber hinaus den Vorteil, daß nicht die Kultur Lockvogel für die Gastronomie ist, sondern die Kultur von der notwendigen Attraktivität der Gastronomie profitiert. Was das kulturelle Programm betrifft, so wird es natürlich nicht nur Jazz geben. Gezeigt wird alles, was mit lebendiger, heutiger Musik im weitesten Sinne zu tun hat. Unser Modell ist bisher von den verschiedensten Leuten mehr als positiv aufgenommen worden. Und zur Stunde, wo diese Zeiten geschrieben werden, denkt man in Verwaltung und Politik der Stadt Köln ernsthaft darüber nach ob, und wenn ja wie und wann, wie lange …

Damals (1980), als sich der Rat der Stadt Köln für den „Jazzboard“ als Träger des Stadtgarten-Restaurants entschied, hörte man von uns: „So nicht“, „Nicht mit uns“, „Wer zuletzt lacht …“ usw. Geglaubt haben uns nicht sehr viele. Die einen prophezeiten uns ein schnelles (standesgemäßes) Ende, die anderen erwarteten, daß wir das Haus besetzen, um dem Trauerspiel ein Ende zu machen. Beides ist nicht eingetroffen, obwohl wir über letzteres nachgedacht haben. Die Vorstellung jedoch ohne Wasser, Strom und Heizung an einem rauen Winterabend im Stadtgarten-Restaurant zu sitzen und Musik zu machen, während andere in der Oper schwitzen, munterte uns auf, eine andere politische Entscheidung zu erwirken. Dies hieß für uns weitermachen, unsere Vorstellungen von Kultur-Politik zu vertreten und durchzusetzen. So sind die Schule, das Label, das Festival, demnächst das Haus (!?) und unsere gewerkschaftliche Arbeit alles Dinge, die sich dem herrschenden Kultur-Betrieb widersetzen und damit für viele eine neue Qualität haben. Da wir nicht nur kritisieren, sondern auch etwas Neues (Besseres) in die Welt setzen, passen wir manchen nicht ins Bild des aufrechten, spontanen Alternativen. Um ehrlich zu sein, dies wollen wir auch gar nicht.

Was uns jedoch ärgert, und diesen Vorwurf gibt es tatsächlich*, daß wir uns den etablierten Parteien angebiedert hätten, um das Haus zu bekommen. Wir haben 5 1/2 Jahre konsequent auf kulturpolitische Veränderung hingearbeitet und wenn dies teilweise Erfolg hat, dann haben nicht wir uns verändert, sondern wir haben Bedingungen verändert unter denen Kultur-Politik entsteht. Oder hat sich etwa die Friedensbewegung bei Willy Brandt angebiedert, damit er am 22.10. in Bonn auftrat? Gesellschaftliche Veränderungen sind möglich, vielleicht schrittweise.

In diesem Programmheft befindet sich zum ersten Mal ein „offizielles Grußwort“, um das wir den Kulturamtsleiter, Gerd Schönfeld, gebeten haben. Es steht stellvertretend für „Neue Töne“ von einer Seite, die uns lange Zeit mit Unsicherheit, Ratlosigkeit und aktivem Desinteresse bedacht hat.

In Zusammenhang mit der Vergabe des Stadtgarten-Restaurants haben wir einige Institutionen gebeten, ihre Meinung zum Thema „Jazz in Köln“ darzulegen. Stellvertretend dafür ist das Schreiben der Union Deutscher Jazzmusiker an unseren Oberbürgermeister abgedruckt. Ein anderes, auf seine Art nicht weniger überzeugendes Schreiben des ZDF, möchten wir auch nicht vorenthalten.

Zum Schluß wieder der Dank an alle, die mitgeholfen haben, die noch mithelfen werden und die nicht mithelfen können. Aber das kennt man ja schon von den letzten Jahren …

Köln, den 25. Oktober ’83

Reiner Michalke

* Unter den Bewerbern für das Stadtgarten-Restaurant befindet sich noch eine „alternative“ Gruppe, die nun, da sie befürchten muß, daß die Jazzhaus-Initiative den Zuschlag erhält, argwöhnt, wir hätten uns den etablierten Parteien angebiedert.