Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN

Fraktion
DIE GRÜNEN
Im Kölner Rat
Rathaus
5000 Köln 1

​Köln, den 5.1.1985

Gleichlautend

An den Vorsitzenden des Ausschusses Kunst und Kultur Herrn Dr. Klaus Heugel

An den Oberstadtdirektor Herrn Kurt Rossa

Rathaus
5000 Köln 1

Betr.: Änderungsantrag zu TOP 5a der 1. Sitzung des Ausschusses Kunst und Kultur am 8. Jan 85
Hpl – Entwurf des Verwaltungshaushaltes für das Haushaltsjahr 1985/ Einzelplan 3
Hier: Haushaltsstelle 3400.717.0400.1 „Förderung freier Gruppen“

Sehr geehrter Herr Dr. Heugel,
sehr geehrter Herr Oberstadtdirektor,

hiermit kündigen wir folgenden Änderungsantrag in o. g. TOP der 1. Sitzung des Ausschusses Kunst und Kultur am 8. Jan 85 an:

Der Ausschuß Kunst und Kultur hält die im hpl- Entwurf 85 unter der Stelle 3400.717.0400.1 angesetzten 352.000 DM für zu gering, um der Aufgabe der Förderung freier Gruppen gerecht zu werden.
In Anbetracht der enormen Bedeutung dieser Teilkultur für die gesamte Stadt, als auch in Relation zu den Ausgaben im kulturellen Bereich insgesamt, ist eine Anhebung dieser Haushaltsstelle auf ca. 5 mio DM ( = 2% der Gesamtausgaben Einzelplan 3, Wissenschaft, Forschung und Kulturpflege) wünschenswert.

Der Ausschuß beauftragt daher die Verwaltung, dem Ausschuß Kunst und Kultur zur nächsten Sitzung (5. Feb 85) eine mittelfristige Finanzplanung vorzulegen, die gewährleistet, daß bereits im Haushalt 85 eine deutliche Anhebung sichtbar wird und bis einschl. 1988 der o.g. Betrag erreicht wird.

Begründung:

1. Die Kulturarbeit der freien Gruppen in Köln ist von eminenter kultureller und sozialer Bedeutung für die Bevölkerung unserer Stadt; dies besonders in Zeiten, wo viele Menschen über immer mehr Freizeit und immer weniger Geld verfügen.

Wie die Erfahrung zeigt, sind die freien Gruppen und Veranstalter viel besser als die institutionalisierten Kulturträger in der Lage, sowohl organisatorisch wie inhaltlich auf die aktuellen Bedürfnisse und Fragen der Menschen zu reagieren und zu antworten.
Diese Tatsache gewährleistet ein hohes Maß an Identifikation und nicht zuletzt an Motivation zu eigener kultureller Aktivität. Insofern kommt dieser Arbeit eine große Bedeutung bei der Verhinderung sozialer Fehlentwicklungen zu.

2. Die Aktivitäten in der freien Kulturarbeit sind zumeist professionelle, oft in Köln ausgebildete Künstler. Ihr Anspruch, in ihrer Heimatstadt bzw. Wahlheimatstadt ebenso existieren zu können wie ihre Kollegen an den städtischen Institutionen ist berechtigt und muß von der Verwaltung und Regierung der Stadt ernstgenommen werden. Diese nicht unbedeutende und stetig wachsende Gruppe von Bewohnern dieser Stadt fühlt sich von den kommunalen, parlamentarischen Organen nicht mehr vertreten. Diese Tatsache sollte nicht unterschätzt werden.

3. 1979 stand für die Förderung freier Gruppen erstmals 1 Mio DM zur Verfügung; inzwischen ist es nur noch ein Drittel dieser Summe. Diese Entwicklung ist widersinnig und es gilt sie umzukehren. Denn die experimentellen, innovativen und sozial- engagierten Ansätze in Kunst und Kultur, die immer außerhalb der Institutionen entstehen, gilt es gerade dann zu fördern, wenn sie im Entstehen sind, gerade damit sie eine größere Chance haben, sich später selbst tragen zu können.

Fast alle kulturellen Institutionen sind auf die Arbeitsergebnisse der freien Kulturszene angewiesen, wenn sie lebendig und zeitgemäß bleiben wollen. So ist es auch erklärlich, daß gerade die freie Kulturarbeit die kulturelle und atmosphärische Attraktivität einer Großstadt im wesentlichen bestimmt.
Der kulturelle Schaden, der in den letzten Jahren durch den finanz. Untergang von wichtigen freien Aktivitäten entstanden ist, ist kaum noch zu beheben. Es gilt dies kurzfristig und für immer zu verhindern.

4. Die Förderung freien Gruppen kann und soll nicht ausschließlich in der direkten finanziellen Zuwendung bestehen. Ebenso wichtig ist es, daß die Verwaltung Räume und Freiräume schafft, in denen sich die freie Kulturarbeit entwickeln und konsolidieren kann. Dazu gehören neben Ateliers für bildende Künstler auch Probe- und Aufführungsräume für Musik- und Theatergruppen. Darüber hinaus ist es erforderlich, bereits bestehende kulturelle und soziale Zentren für kulturelle Aktivitäten und Angebote finanziell besser auszustatten.

Schlußbemerkung

Dieser sehr kurz gefaßte Abriß der Bedeutung der freien Kulturarbeit gibt die Meinung eines großen Teiles der Bevölkerung, incl. der Kulturproduzenten selbst, wieder.
Die Vereinzelung und teilweise Introvertiertheit vieler Künstler, fehlende politische Erfahrung und die kaum verwunderliche Abwendung vom kommunal- politischen Alltag, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß zum einen das Unverständnis wächst und zum anderen daß die kommunale Kulturpolitik heute die Verantwortung für die Qualität der Kultur von morgen trägt.
Um die Bedeutung dieser Haushaltsstelle zu unterstreichen, hat sich der kultur- politische Arbeitskreis DER GRÜNEN dazu entschlossen, nur diesen Änderungsantrag zum Haushalt 85, Einzelplan 3, einzubringen und macht auch die Zustimmung zum Einzelplan 3 vom Votum des Ausschusses zu diesen Antrag abhängig.

Mit freundlichen Grüßen
Ingeborg Braunert
Reiner Michalke